Maserati 5000GT

Maserati 5000GT – Der Königliche Dreizack

Ein exklusiver Blick auf Maseratis seltensten Gran Turismo – den Shah von Persien, acht Karosseriebauer und ein Motor aus dem Rennsport vereint in einem der exklusivsten Automobile der Nachkriegszeit
Die Geburt eines Königs unter den Gran Turismos
Als im Herbst 1958 ein besonderer Kunde bei Maserati vorstellig wurde, ahnte niemand, dass daraus eines der exklusivsten Automobile der Nachkriegszeit entstehen würde. Mohammad Reza Pahlavi, der Shah von Persien, ein bekannter Automobil-Enthusiast mit ausgeprägtem Geschmack für das Besondere, hatte einen Wunsch: Er wollte einen Gran Turismo mit dem Herzen eines Rennwagens. Nicht irgendeines Rennwagens, sondern des legendären Maserati 450S, jenes brutalen Sportwagens, der mit seinem mächtigen V8-Motor die Rennstrecken der Welt dominiert hatte.
Für Maserati war dies eine Herausforderung, aber auch eine Chance. Das Unternehmen befand sich in einer Phase des Umbruchs. Die glorreichen Tage des Rennsports waren vorbei, nachdem sich die Marke Ende 1957 offiziell aus dem Motorsport zurückgezogen hatte. Die Zukunft lag im Bau exklusiver Straßenfahrzeuge für eine anspruchsvolle Klientel. Der Auftrag des Shahs kam also genau zur richtigen Zeit.
Unter der Leitung von Chefingenieur Giulio Alfieri begann man, den 5000GT zu entwickeln – ein Fahrzeug, das später als „König der GTs“ in die Automobilgeschichte eingehen sollte. Der Name war Programm: 5000 stand für den ungefähren Hubraum des Motors, GT für Gran Turismo. Was folgte, war ein Meisterwerk italienischer Ingenieurskunst und Handwerksarbeit.
Technische Brillanz: Das Herz eines Champions

Das Herzstück des 5000GT war zweifellos sein Motor. Basierend auf dem 4,5-Liter-V8 des 450S Rennwagens, wurde der Hubraum auf 4,9 Liter (genau 4.941 ccm) vergrößert. Dieser mächtige Achtzylinder war eine technische Meisterleistung seiner Zeit. Mit zwei obenliegenden Nockenwellen pro Zylinderbank, einer Verdichtung von 8,5:1 und anfangs vier Weber 45 DCO3-Doppelvergasern leistete er beeindruckende 325 PS bei 5.500 U/min – eine für Straßenfahrzeuge der späten 1950er Jahre nahezu unvorstellbare Leistung.
Die ersten Exemplare des 5000GT waren direkte Abkömmlinge des Rennmotors und entsprechend raubeinig im Charakter. Ab 1960 wurde der Motor jedoch überarbeitet, um ihn straßentauglicher zu machen. Die Vergaser wichen einer Lucas-Benzineinspritzung, die Verdichtung wurde leicht reduziert, und die Nockenwellen erhielten ein milderes Profil. Die Leistung blieb mit 325 PS unverändert, aber das Drehmoment wurde breiter über den Drehzahlbereich verteilt, was die Alltagstauglichkeit deutlich verbesserte.
Die Kraftübertragung erfolgte über ein handgeschaltetes ZF-Fünfganggetriebe – ein weiteres Luxusmerkmal in einer Zeit, als vier Gänge noch Standard waren. Die Hinterachse stammte vom Maserati 3500GT, wurde jedoch verstärkt, um mit der enormen Leistung fertig zu werden.
Das Fahrwerk basierte ebenfalls auf dem des 3500GT, wurde aber den höheren Leistungs- und Gewichtsanforderungen angepasst. Vorne kamen Doppelquerlenker mit Schraubenfedern zum Einsatz, hinten eine Starrachse mit halbelliptischen Blattfedern. Für die Verzögerung sorgten anfangs Trommelbremsen, später wurden Scheibenbremsen an allen vier Rädern Standard.
Karosserievielfalt: Acht Schneider für den perfekten Anzug

Was den 5000GT besonders einzigartig macht, ist die Vielfalt seiner Erscheinungsformen. Insgesamt acht verschiedene Karosseriebauer kleideten den technischen Unterbau ein, wobei jedes Fahrzeug praktisch ein Einzelstück darstellte. Selbst bei Exemplaren vom gleichen Karosseriebauer gab es oft deutliche Unterschiede, da die wohlhabende Kundschaft individuelle Wünsche äußerte, die bereitwillig umgesetzt wurden.
Die Verteilung der 34 gebauten Exemplare auf die verschiedenen Karosseriebauer stellt sich wie folgt dar:
- Allemano: 22 Exemplare
- Frua: 3 Exemplare
- Touring: 2 Exemplare
- Michelotti: 2 Exemplare
- Pininfarina: 1 Exemplar
- Ghia (Sergio Sartorelli): 1 Exemplar
- Bertone: 1 Exemplar
- Monterosa: 1 Exemplar
Der erste 5000GT, jener für den Shah von Persien, wurde von Touring karossiert. Mit seiner eleganten, aber kraftvollen Linienführung setzte er den Ton für das, was folgen sollte. Besonders bemerkenswert war die große Panorama-Heckscheibe, die dem Fahrzeug eine luftige Atmosphäre verlieh.
Die meisten 5000GT erhielten jedoch ihre Karosserie von Allemano. Der Turiner Karosseriebauer schuf eine zeitlos elegante Linie mit perfekten Proportionen. Charakteristisch waren die leicht ansteigende Gürtellinie, die großzügige Verglasung und die markante Frontpartie mit den typischen Maserati-Kiemen in den vorderen Kotflügeln.
Zu den spektakulärsten Interpretationen zählt zweifellos der von Frua gestaltete 5000GT für Aga Khan. Mit seiner niedrigen, gestreckten Silhouette, den zurückgesetzten Scheinwerfern und der dramatisch abfallenden Dachlinie wirkte er wie ein Raubtier auf der Lauer.
Pininfarina steuerte ein einziges Exemplar bei, das für Gianni Agnelli, den Fiat-Patriarchen, gebaut wurde. Mit seiner klaren, zurückhaltenden Linienführung und den charakteristischen Doppelscheinwerfern verkörperte es perfekt den eleganten Stil seines Besitzers.
Konkurrenz und Einordnung: In einer Liga für sich
Der 5000GT bewegte sich in einer Preisklasse, die selbst für exklusive GT-Fahrzeuge außergewöhnlich war. Mit einem Grundpreis von etwa 5,5 Millionen Lire (später auf über 6 Millionen angehoben) kostete er mehr als das Doppelte eines Maserati 3500GT und übertraf sogar den Preis eines Ferrari 250 GT deutlich.
In dieser exklusiven Sphäre gab es nur wenige direkte Konkurrenten. Der Ferrari 400 Superamerica kam dem 5000GT am nächsten, sowohl preislich als auch konzeptionell. Beide waren handgefertigte Supersportwagen für eine ausgesuchte Klientel. Der Aston Martin DB4 GT und später der DB5 boten ähnliche Leistungen, waren aber etwas weniger exklusiv. Der Facel Vega HK500 und später der Facel II waren französische Alternativen mit amerikanischen V8-Motoren, die ähnliche Leistungsdaten boten, aber einen völlig anderen Charakter hatten.
Im Maserati-Programm selbst positionierte sich der 5000GT klar über dem 3500GT, der als „Volumenmodell“ der Marke galt. Er war das Flaggschiff, das die technischen Möglichkeiten des Hauses demonstrierte und den Ruf von Maserati als Hersteller exklusiver Sportwagen festigte.
Vorgänger und Nachfolger: Die Entwicklungslinie
Der 5000GT hatte keinen direkten Vorgänger im Maserati-Programm. Er entstand vielmehr als Sonderentwicklung auf Basis des 3500GT, angereichert mit der Renntechnologie des 450S. Man könnte ihn als Bindeglied zwischen Maseratis Rennwagen-Ära und der neuen Ausrichtung als Hersteller exklusiver Straßensportwagen betrachten.
Als direkter Nachfolger kann der Maserati Mexico gesehen werden, der 1966 vorgestellt wurde. Auch er war ein viersitziges GT-Coupé mit V8-Motor, allerdings mit dem neueren 4,7-Liter-Aggregat aus dem Quattroporte I. Mit 485 gebauten Exemplaren war er deutlich weniger exklusiv als der 5000GT, aber immer noch ein sehr seltenes Automobil.
Die technische DNA des 5000GT floss auch in den Ghibli ein, der 1966 debütierte und mit seinem 4,7-Liter-V8 zum neuen Flaggschiff der Marke wurde. Der Ghibli war sportlicher ausgelegt als der 5000GT, bot aber eine ähnliche Kombination aus Leistung und Luxus.
Im Motorsport: Ein geborener Sieger, der nie antreten durfte
Obwohl der 5000GT das Herz eines Rennwagens besaß, wurde er nie im Motorsport eingesetzt. Dies lag nicht an mangelndem Potenzial, sondern an der strategischen Entscheidung von Maserati, sich nach 1957 vom Werksmotorsport zurückzuziehen. Der 5000GT hätte zweifellos das Zeug zu einem erfolgreichen GT-Rennwagen gehabt, mit seinem leistungsstarken Motor und dem soliden Fahrwerk.
Interessanterweise fanden einige Komponenten des 5000GT ihren Weg zurück in den Motorsport. Der weiterentwickelte V8-Motor wurde später in modifizierter Form im Maserati Tipo 151 eingesetzt, einem Prototypen für Le Mans, der 1962 debütierte. Auch wenn der Tipo 151 nicht den erhofften Erfolg brachte, zeigte er doch das Potenzial des Motors.
Stärken und Schwächen: Die zwei Gesichter des Königs
Die größte Stärke des 5000GT war zweifellos sein Motor. Mit seiner enormen Leistung und dem beeindruckenden Drehmoment katapultierte er den schweren GT mühelos auf Geschwindigkeiten jenseits der 240 km/h – eine für die damalige Zeit außergewöhnliche Leistung. Der sonore Klang des V8 war ein weiteres Merkmal, das Kenner zu schätzen wussten.
Die Verarbeitung war auf höchstem Niveau. Jedes Fahrzeug wurde praktisch in Handarbeit gefertigt, mit einer Liebe zum Detail, die heute kaum noch vorstellbar ist. Die Innenausstattung mit feinstem Leder, edlen Hölzern und maßgeschneiderten Instrumenten ließ keine Wünsche offen.
Zu den Schwächen zählte das relativ hohe Gewicht von rund 1.700 kg, das die Agilität in engen Kurven einschränkte. Das Fahrwerk, obwohl für die Zeit fortschrittlich, konnte mit der enormen Motorleistung nicht immer Schritt halten, was zu einem manchmal nervösen Fahrverhalten führen konnte.
Die frühen Modelle mit dem kaum gezähmten Rennmotor waren zudem nicht besonders alltagstauglich. Sie neigten zur Überhitzung im Stadtverkehr, und die Kupplung erforderte erhebliche Bedienkräfte. Die späteren Modelle mit Einspritzung waren in dieser Hinsicht deutlich verbessert.
Ein weiterer Kritikpunkt war der enorme Durst des V8-Motors. Mit einem Verbrauch von 20-25 Litern auf 100 km im normalen Fahrbetrieb – und deutlich mehr bei sportlicher Fahrweise – war der 5000GT selbst für die damalige Zeit ein außergewöhnlich durstiger Geselle.
Der Sammlermarkt: Rare Juwelen mit steigender Wertentwicklung
Mit nur 34 gebauten Exemplaren gehört der Maserati 5000GT zu den seltensten Sportwagen der Nachkriegszeit. Diese extreme Seltenheit, gepaart mit der faszinierenden Geschichte und der technischen Brillanz, macht ihn zu einem der begehrtesten Sammlerstücke auf dem Oldtimermarkt.
Die Preisentwicklung der letzten Jahre spricht eine deutliche Sprache. Während ein 5000GT in den 1990er Jahren noch für unter 100.000 Euro zu haben war, liegen die Preise heute je nach Zustand, Geschichte und Karosseriebauer zwischen 1,5 und 3 Millionen Euro. Besonders wertvolle Exemplare, wie der erste für den Shah gebaute Wagen oder Einzelstücke von Pininfarina oder Bertone, können sogar noch höhere Preise erzielen.
Die Wertprognose für die kommenden Jahre ist ausgesprochen positiv. Als eines der seltensten und exklusivsten Fahrzeuge seiner Epoche dürfte der 5000GT weiterhin zu den begehrtesten Sammlerstücken zählen. Die steigende Wertschätzung für handgefertigte Automobile der 1950er und 1960er Jahre, insbesondere solche mit interessanter Geschichte und prominenten Erstbesitzern, wird die Nachfrage weiter anheizen.
Kaufberatung: Worauf Sammler achten sollten
Wer heute einen 5000GT erwerben möchte, sollte einige wichtige Punkte beachten:
Originalität: Bei einem so seltenen Fahrzeug ist die Originalität von entscheidender Bedeutung für den Wert. Eine lückenlose Dokumentation der Geschichte und möglichst viele Originalteile sind Gold wert.
Motorvariante: Die frühen Modelle mit Vergasern sind für Puristen interessanter, die späteren mit Einspritzung alltagstauglicher. Beide haben ihre spezifischen Vor- und Nachteile.
Karosseriebauer: Die von Allemano gebauten Exemplare sind am häufigsten, aber nicht weniger wertvoll. Die Einzelstücke von Pininfarina, Bertone oder Ghia haben jedoch oft einen Sammlerwert-Aufschlag.
Zustand: Eine professionelle Restaurierung eines 5000GT kann leicht sechsstellige Summen verschlingen. Ein bereits restauriertes Fahrzeug in exzellentem Zustand kann daher trotz höherem Kaufpreis die wirtschaftlichere Wahl sein.
Ersatzteile: Die Ersatzteillage ist erwartungsgemäß schwierig. Viele Teile müssen individuell angefertigt werden. Ein gutes Netzwerk zu Spezialisten und anderen Besitzern ist daher Gold wert.
Vorbesitzer: Prominente Vorbesitzer können den Wert erheblich steigern. Fahrzeuge mit bekannter Geschichte, insbesondere solche, die für Prominente oder Adlige gebaut wurden, erzielen oft Höchstpreise.
Fazit: Ein königlicher Maserati für die Ewigkeit
Der Maserati 5000GT ist mehr als nur ein Automobil – er ist ein rollendes Kunstwerk, ein Zeugnis einer Epoche, in der Handwerkskunst und Ingenieursgeist noch über wirtschaftliche Erwägungen triumphierten. Als eines der exklusivsten Fahrzeuge seiner Zeit verkörpert er perfekt den Geist des Gran Turismo: ein Automobil, das mühelos kontinentale Strecken bewältigen kann, dabei höchsten Komfort bietet und dennoch die Leistung eines Sportwagens besitzt.
Die Tatsache, dass fast alle der 34 gebauten Exemplare bis heute überlebt haben und meist liebevoll gepflegt in bedeutenden Sammlungen stehen, spricht für die zeitlose Qualität und Faszination dieses außergewöhnlichen Automobils.
Der 5000GT bleibt ein Meilenstein in der Geschichte von Maserati – ein Fahrzeug, das die Brücke schlug zwischen der ruhmreichen Rennvergangenheit und der Zukunft als Hersteller exklusiver Gran Turismos. Er ist der König unter den GTs, ein Automobil, das selbst heute, mehr als sechs Jahrzehnte nach seiner Entstehung, nichts von seiner majestätischen Ausstrahlung verloren hat.