Bautz: Die vergessene Legende

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Bautz AS120 1957 Bulldogtreffen 2012

Bautz: Die vergessene Legende der deutschen Traktorengeschichte

Bautz AS120 1957 Bulldogtreffen 2012

Als ich zum ersten Mal einen restaurierten Bautz AS120 auf einer Landmaschinenausstellung sah, war ich sofort fasziniert. Die markante Silhouette, die robuste Bauweise und die Geschichte dahinter haben mich nicht mehr losgelassen. Nach jahrelanger Recherche und Gesprächen mit ehemaligen Mitarbeitern und leidenschaftlichen Sammlern möchte ich Ihnen heute die bemerkenswerte Geschichte eines Unternehmens erzählen, das die deutsche Landwirtschaft nachhaltig prägte.

Von der Hammerschmiede zum Landmaschinenhersteller

Die Geschichte von Bautz beginnt 1879 in einer bescheidenen Hammerschmiede in Lochhammer bei Wangen im Allgäu. Josef Bautz senior erkannte früh das Potenzial der Mechanisierung in der Landwirtschaft und legte mit dem Kauf dieser Schmiede den Grundstein für ein Unternehmen, das später weltweit bekannt werden sollte.

Die Anfangsjahre waren geprägt von handwerklichem Geschick und innovativem Denken. Bautz spezialisierte sich zunächst auf die Herstellung und Reparatur landwirtschaftlicher Geräte. Die Qualität der Produkte sprach sich schnell herum, und die Nachfrage stieg stetig an.

Die beengten Verhältnisse und die verkehrsungünstige Lage in Lochhammer wurden jedoch zunehmend zum Hindernis für das wachsende Unternehmen. 1909 wagte Josef Bautz den mutigen Schritt, den Betrieb nach Saulgau (heute Bad Saulgau) zu verlegen. Diese Entscheidung erwies sich als wegweisend für die weitere Entwicklung des Unternehmens.

Der Einstieg in die Traktorenproduktion

Während des Zweiten Weltkriegs unternahm Bautz erste Versuche mit einem Traktorenprototyp. Die damalige Regierung untersagte jedoch die Weiterentwicklung, da alle Ressourcen für die Kriegsproduktion benötigt wurden. Nach Kriegsende konnte Bautz in Saulgau relativ schnell die Produktion von Landmaschinen wieder aufnehmen, während das Zweigwerk in Großauheim bei Hanau erst 1951 wieder in Betrieb genommen werden konnte.

Um schnell in den wachsenden Traktorenmarkt einsteigen zu können, ging Bautz eine strategische Partnerschaft mit der Firma Zanker ein. Diese hatte einen vielversprechenden Schlepper mit Einzylinder-Zweitaktmotor entwickelt, konzentrierte sich aber zunehmend auf das boomende Haushaltsgerätegeschäft. Für Bautz war dies die perfekte Gelegenheit: Das Unternehmen übernahm den Großteil der produzierten Fahrzeuge, baute ein eigenes Mähwerk an und vermarktete sie unter eigenem Namen.

So konnte bereits 1949 der erste Bautz-Schlepper als B14AS (später AS14) angeboten werden. Parallel arbeitete man jedoch intensiv an einer eigenen Entwicklung.

Der Durchbruch: Der AS120

1951 präsentierte Bautz den AS120, der sich als echter Glückstreffer erweisen sollte. Mit dem MWM-Zweizylinder-Motor KD11Z (später KD211Z) erarbeitete er sich schnell den Ruf eines außergewöhnlich zugstarken Schleppers in seiner Klasse. Während Wettbewerber in dieser Leistungsklasse (12 PS, ab 1952 14 PS) überwiegend auf Einzylindermotoren setzten, bot der Zweizylinder im AS120 eine deutlich bessere Laufruhe und Zuverlässigkeit – ein Verkaufsargument, das Bautz geschickt zu nutzen wusste.

Der AS120 blieb mit zahlreichen Überarbeitungen und einer Umbenennung in AW120 im Jahr 1956 bis 1960 im Programm. Mit 11.682 ausgelieferten Exemplaren wurde er zum meistverkauften Bautz-Traktor aller Zeiten. Noch heute schwärmen ältere Landwirte von seiner Zuverlässigkeit und Langlebigkeit.

Modellvielfalt und technische Innovationen

AS220 Bautz im top zustand

In den folgenden Jahren erweiterte man sein Angebot kontinuierlich. 1953 folgte der AS122, der einzige Einzylinder in den Baureihen von Bautz, ausgestattet mit einem luftgekühlten MWM-Motor mit 12 PS. Bereits 1952 waren der AS170 und der AS220 auf den Markt gekommen – beide als sogenannte „Konfektionsschlepper“ konzipiert, bei denen viele Komponenten von Zulieferern wie Güldner (Motoren) und ZF (Getriebe) stammten.

Besonders interessant waren die Versuche mit Tragschleppern für die Hackfruchtpflege: der AS121 und der AS151. Der AS121 basierte auf dem AS122, der AS151 auf dem AS120. Leider fanden diese Spezialschlepper am Markt keinen Anklang – nur etwa 15 bis 30 Stück wurden gebaut. Ob überhaupt noch ein Exemplar existiert, ist unter Sammlern umstritten.

Ein Meilenstein in der Unternehmensgeschichte war die Entwicklung eines eigenen Getriebes für Traktoren bis 25 PS. 1955 konnte Bautz endlich neue Modelle mit diesem Fünfganggetriebe vorstellen: den wassergekühlten AS180 mit 18 PS und den luftgekühlten AS240 mit 24 PS. Ab 1956 wurden beide Modelle sowohl mit Luft- als auch mit Wasserkühlung angeboten, was eine Änderung der Typenbezeichnungen erforderlich machte: AS (Ackerschlepper) wurde zu AL (Ackerschlepper Luftgekühlt) und AW (Ackerschlepper Wassergekühlt).

Die rote Revolution und die Lenkradschaltung

Nach einem Einbruch der Verkaufszahlen 1957 arbeitete man mit Hochdruck an einer modernisierten Baureihe. Während das Unternehmen bisher auf konventionelle, robuste Schlepper ohne „Schnickschnack“ gesetzt hatte, wagte man nun eine Innovation, die später von vielen Herstellern kopiert wurde: die Lenkradschaltung.

Der beim Aufstieg hinderliche Schaltknüppel verschwand, und ein kleiner Handhebel am Lenkrad – ähnlich wie damals in vielen PKWs – diente zur Gangschaltung. Diese ergonomische Verbesserung kam bei den Landwirten gut an. Gleichzeitig änderte Bautz die Lackierung seiner Traktoren vom bisherigen Grün/Gelb zum markanten Rot der Bautz-Landmaschinen.

Der Bautz 300 kam als erster dieser neuen Generation in den Verkauf. Mit dem luftgekühlten MWM-Motor AKD 311Z ausgestattet, leistete er anfangs 18 PS, später 20 PS aus 1,4 Litern Hubraum. Das neue, gemeinsam mit der Zahnradfabrik Getrag entwickelte Getriebe bot sieben Vorwärts- und einen Rückwärtsgang.

Der kleinere 200 hatte zwar ein ähnliches Erscheinungsbild, war jedoch mit anderen Komponenten ausgestattet. Sein MWM-Motor AKD 10Z mit einem Liter Hubraum leistete 15 PS. Erstmals setzte man hier auf ein Gruppengetriebe mit vier Vorwärts- und einem Rückwärtsgang in zwei Gruppen, was insgesamt acht Vorwärts- und zwei Rückwärtsgänge ermöglichte. Leider kam dieser kleinere Schlepper in einer Zeit auf den Markt, in der Landwirte zunehmend nach mehr Leistung verlangten, und verkaufte sich entsprechend schlechter als der Bautz 300.

Allianzen und das Ende einer Ära

In den späten 1950er Jahren suchte Bautz nach Möglichkeiten, sein Programm nach oben abzurunden. 1958 erhielt das Unternehmen den Alleinvertrieb für zwei Nuffield-Schlepper des britischen BMC-Konzerns in Deutschland: den Nuffield Universal 3, einen Dreizylinder mit 35 PS, und den Nuffield Universal 4, einen Vierzylinder mit 45 PS. Bei Bautz wurden die charakteristischen Muschelkotflügel durch breite, die Hinterräder abdeckende Kotflügel mit Beifahrersitzen ersetzt.

Diese Allianz war jedoch nur von kurzer Dauer. Bereits 1961 wandte sich Bautz dem deutschen Hersteller Hanomag zu und vertrieb deren Modelle Granit und Brillant in den höheren Leistungsklassen über 20 PS. Die eigene Produktion des AL350 und AW350 mit 25 PS wurde dafür eingestellt. Doch auch diese Zusammenarbeit brachte nicht den erhofften Erfolg und endete bereits Ende 1962.

1963 stellte Bautz die Traktorenproduktion endgültig ein. Ein letzter Versuch, in Zusammenarbeit mit Hela deren Traktoren und die eigenen Landmaschinen zu vermarkten, scheiterte ebenfalls. Auch ein Abstecher in die Baumaschinenproduktion mit sogenannten „Motorjapanern“ (Muldenkippern) brachte nicht die erhoffte Wende. Bis 1969 produzierte Bautz noch Landmaschinen, dann übernahm die Claas-Gruppe das traditionsreiche Unternehmen.

Die Traktoren im Vergleich zur Konkurrenz

Im Vergleich zu den großen Marken wie Fendt, Deutz oder Lanz positionierte sich Bautz vor allem im Segment der Klein- und Mittelbetriebe. Die Stärken der Bautz-Traktoren lagen in ihrer Robustheit, Zuverlässigkeit und dem guten Preis-Leistungs-Verhältnis.

Der AS120/AW120 konkurrierte direkt mit Modellen wie dem Fendt Dieselross F12, dem Deutz F1L514 oder dem Güldner AF15. Im Vergleich zu diesen bot der Bautz mit seinem Zweizylinder-Motor eine bessere Laufruhe bei vergleichbarer Leistung. Allerdings fehlte Bautz das flächendeckende Händler- und Servicenetz der größeren Hersteller.

Die späteren Modelle wie der Bautz 300 mussten sich gegen modernere Konstruktionen wie den Fendt Farmer 1 oder den Deutz D15 behaupten. Hier konnte Bautz mit der innovativen Lenkradschaltung punkten, hatte aber Nachteile bei der Hydraulik und dem Hubwerk.

Ein grundsätzliches Problem war die zunehmende Konzentration im Traktorenmarkt. Während große Hersteller durch Skaleneffekte immer günstiger produzieren konnten, wurde es für mittelständische Unternehmen wie Bautz immer schwieriger, wettbewerbsfähig zu bleiben.

Das Erbe von Bautz: Der Sammlermarkt heute

Heute erfreuen sich Bautz-Traktoren bei Sammlern und Oldtimer-Enthusiasten großer Beliebtheit. Besonders gesucht sind gut erhaltene oder fachgerecht restaurierte Exemplare des AS120/AW120, des 300 und der seltenen Tragschlepper AS121 und AS151.

Die Preise für die Traktoren haben in den letzten Jahren kontinuierlich angezogen. Während ein restaurierungsbedürftiger AS120 vor zehn Jahren noch für 2.000-3.000 Euro zu haben war, werden heute für restaurierte Exemplare in Ausstellungsqualität 8.000-12.000 Euro aufgerufen. Besonders selten sind die Modelle mit Luftkühlung wie der AL180 oder AL240, die entsprechend höhere Preise erzielen.

Für Sammler ist die Ersatzteilversorgung eine Herausforderung. Während für gängige Verschleißteile wie Dichtungen, Lager oder Bremsbeläge oft noch Nachfertigungen erhältlich sind, müssen seltenere Komponenten wie Getriebeteile oder Motorenteile oft von Spenderfahrzeugen übernommen werden. Hier hat sich ein reger Tauschhandel unter Enthusiasten entwickelt.

Besonders wertvoll für die Sammlerszene ist die Arbeit des „Bautz-Freundeskreises“, der seit 1998 Treffen organisiert, technische Dokumentationen sammelt und den Austausch zwischen Besitzern fördert. Durch diese engagierte Gemeinschaft bleibt das Erbe von Bautz lebendig.

Technische Innovationen und Besonderheiten

Was Bautz von anderen Herstellern unterschied, waren einige technische Besonderheiten. Der frühe Einsatz von Zweizylinder-Motoren in der Kleinschlepperklasse war ein Alleinstellungsmerkmal. Die Kombination aus wassergekühlten und luftgekühlten Motoren im gleichen Grundmodell bot Landwirten Wahlmöglichkeiten je nach Einsatzzweck und regionalen Bedingungen.

Die Lenkradschaltung im 200 und 300 war eine ergonomische Innovation, die später von vielen Herstellern übernommen wurde. Sie erleichterte das Auf- und Absteigen erheblich und verbesserte den Bedienkomfort.

Bemerkenswert war auch die hohe Fertigungstiefe in den frühen Jahren. Während viele Wettbewerber zunehmend auf Zulieferteile setzten, produzierte man viele Komponenten selbst – vom Getriebe bis zum Mähwerk. Dies ermöglichte eine bessere Qualitätskontrolle, machte das Unternehmen aber auch anfälliger für die steigenden Entwicklungskosten.

Warum scheiterte Bautz?

Die Gründe für das Scheitern als Traktorenhersteller sind vielschichtig. Ein wesentlicher Faktor war der zunehmende Preisdruck durch die Konzentration im Markt. Große Hersteller konnten durch ihre Skaleneffekte günstiger produzieren und mehr in Forschung und Entwicklung investieren.

Zudem veränderten sich die Anforderungen der Landwirte. Der Trend ging zu immer leistungsstärkeren Traktoren mit moderner Hydraulik und Komfortausstattung. Hier konnte die Firma mit seinen begrenzten Ressourcen nicht mithalten.

Die verschiedenen Allianzen mit Nuffield und Hanomag zeigen, dass man bei Bautz diese Entwicklung erkannte und versuchte gegenzusteuern. Letztlich fehlte jedoch die kritische Masse, um im sich konsolidierenden Markt zu bestehen.

Das Vermächtnis von Bautz

Obwohl als eigenständiger Traktorenhersteller nicht überlebt hat, ist sein Erbe in der deutschen Landmaschinengeschichte unbestritten. Die robusten und zuverlässigen Traktoren prägten eine Generation von Landwirten und trugen wesentlich zur Mechanisierung der deutschen Landwirtschaft bei.

Die technischen Innovationen wie die Lenkradschaltung und der frühe Einsatz von Zweizylinder-Motoren in Kleinschleppern zeigen, dass man trotz seiner begrenzten Ressourcen immer wieder neue Wege ging.

Heute leben die Bautz-Traktoren in den Händen engagierter Sammler weiter. Bei Oldtimertreffen und landwirtschaftlichen Ausstellungen ziehen sie regelmäßig die Blicke auf sich und erinnern an eine Zeit, als mittelständische Unternehmen wie Bautz die deutsche Landtechnik prägten.

Für mich persönlich bleibt der AS120 mit seinem charakteristischen Sound und seiner unverwüstlichen Bauweise ein faszinierendes Stück deutscher Ingenieurskunst – ein Traktor mit Seele, der die Leidenschaft für historische Landtechnik immer wieder neu entfacht.

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