Die Tuningszene der 70er bis 90er Jahre
Die Tuningszene der 1970er bis 1990er Jahre: Leistung, Fahrwerk, Optik und Skurrilitäten
Die Tuningszene der 1970er bis 1990er Jahre war eine lebendige und facettenreiche Subkultur, die maßgeblich von Enthusiasten geprägt wurde, die ihre Fahrzeuge über das Werksspezifikationen hinaus optimieren wollten. Diese Ära war gekennzeichnet durch eine wachsende Popularität des Autotunings, das von der Verbesserung der Motorleistung über die Modifikation des Fahrwerks bis hin zur Individualisierung des äußeren Erscheinungsbildes reichte. Neben den ernstzunehmenden Modifikationen gab es auch zahlreiche skurrile Produkte und Tuningmethoden, die versprachen, den Kraftstoffverbrauch zu senken oder die Leistung zu steigern, jedoch oft nur fragwürdige oder gar keine Effekte hatten.
1. Leistungstuning: Auf der Suche nach mehr PS
In den 1970er Jahren begann sich das Leistungstuning rasant zu entwickeln. Die Ölkrise von 1973 führte zu einer Reduzierung der Hubräume und Leistung bei Serienfahrzeugen, was viele Enthusiasten dazu veranlasste, nach Wegen zu suchen, um die verlorene Leistung wiederherzustellen oder gar zu übertreffen.
a) Motortuning
In den 1970er Jahren lag der Fokus des Motortunings auf der Erhöhung der Motorleistung durch eine Vielzahl von Methoden:
- Vergaser- und Einspritzsysteme: Der Austausch des Serienvergasers gegen größere oder Mehrfachvergaseranlagen war ein gängiger Ansatz. Ebenfalls wurde ab den späten 1970er Jahren vermehrt auf mechanische und später elektronische Einspritzanlagen umgerüstet, um eine bessere Kraftstoffverteilung und eine höhere Leistung zu erzielen.
- Nockenwellen: Der Einbau schärferer Nockenwellen veränderte die Ventilsteuerzeiten, was zu einer besseren Füllung des Brennraums und somit zu mehr Leistung führte. Diese Modifikation war besonders bei sportlich orientierten Fahrzeugen wie dem Ford Escort RS oder dem VW Golf GTI beliebt.
- Abgasanlagen: Durch die Verwendung von Sportauspuffanlagen mit größerem Durchmesser und weniger Restriktionen wurde der Abgasgegendruck reduziert, was eine Leistungssteigerung zur Folge hatte. Der Klang des Motors wurde dabei oftmals aggressiver, was ebenfalls ein gewünschter Nebeneffekt war.
- Turbo- und Kompressoraufladung: Die Aufladung von Motoren mit Turboladern oder Kompressoren war in den 1980er Jahren ein stark wachsender Trend. Fahrzeuge wie der Saab 900 Turbo oder der Porsche 911 Turbo setzten neue Maßstäbe, was die Leistungsentfaltung angeht. In der Tuningszene wurden solche Aufladesysteme nachträglich in viele Modelle integriert, was zu erheblichen Leistungssteigerungen führte.
b) Chiptuning
Mit der zunehmenden Verbreitung elektronisch geregelter Motorensteuerungen in den späten 1980er und 1990er Jahren kam das Chiptuning auf. Hierbei wurden die Steuerparameter der Motorsteuergeräte modifiziert, um die Leistung und das Ansprechverhalten des Motors zu verbessern. Besonders bei Turbomotoren konnten durch Anpassungen der Ladedruckregelung erhebliche Leistungszuwächse erzielt werden.
2. Fahrwerktuning: Kurvenjagd und Straßenlage
Neben der Motorleistung war auch das Fahrwerkstuning ein zentraler Bestandteil der Tuningszene. Das Ziel war es, die Straßenlage und das Handling der Fahrzeuge zu verbessern, um ein sportlicheres Fahrverhalten zu erreichen.
a) Tieferlegungen und Sportfahrwerke
Die wohl verbreitetste Form des Fahrwerktunings war die Tieferlegung des Fahrzeugs. Hierfür wurden entweder kürzere und härtere Federn verwendet oder gleich komplette Sportfahrwerke eingebaut, die neben den Federn auch straffere Stoßdämpfer umfassten. Marken wie Bilstein, Koni und Eibach waren in dieser Zeit führend.
Eine Tieferlegung hatte nicht nur einen ästhetischen Effekt, sondern senkte auch den Schwerpunkt des Fahrzeugs, was in schnelleren Kurvenfahrten mehr Stabilität und weniger Wankneigung versprach.
b) Stabilisatoren und Domstreben
Zur weiteren Verbesserung der Fahrstabilität wurden oft härtere Stabilisatoren und Domstreben eingebaut. Diese Komponenten reduzierten die Verwindung der Karosserie in Kurven und verbesserten das Einlenkverhalten, was besonders auf kurvigen Strecken von Vorteil war.
c) Breitreifen und Felgen
Breitere Reifen auf größeren Felgen wurden zunehmend populär. Sie sorgten für eine größere Aufstandsfläche und damit für mehr Grip, was sowohl beim Beschleunigen als auch in Kurven für eine bessere Performance sorgte. BBS-Felgen oder ATS-Cup-Felgen wurden zu wahren Ikonen dieser Zeit und fanden auf vielen getunten Fahrzeugen Platz.
3. Optisches Tuning: Ausdruck von Individualität
Die Optik spielte ebenfalls eine zentrale Rolle Tuningszene und ermöglichte es den Besitzern, ihre Fahrzeuge nach ihren persönlichen Vorlieben zu gestalten und sich von der Masse abzuheben.
a) Karosseriekits und Spoiler
Die 1980er und 1990er Jahre sahen einen Boom an Karosseriekits, die oft aus Fiberglas oder Kunststoff bestanden. Diese umfassten Front- und Heckschürzen, Seitenschweller und Kotflügelverbreiterungen. Sie gaben den Fahrzeugen ein aggressiveres und sportlicheres Aussehen und sollten gleichzeitig die Aerodynamik verbessern.
Spoiler, insbesondere Heckspoiler, wurden oft installiert, um den Abtrieb auf der Hinterachse zu erhöhen und die Hochgeschwindigkeitsstabilität zu verbessern. Bekannte Hersteller wie Zender, Rieger und Kamei boten eine breite Palette an Bodykits für gängige Fahrzeugmodelle an.
b) Lackierungen und Dekore
Auch bei der Lackierung und dem Dekor wurde in der Tuningszene viel experimentiert. Knallige Farben, Metalliclacke und aufwendige Airbrush-Designs waren verbreitet. Ebenso populär waren Motorsport-Aufkleber und Streifendesigns, die oft an Rennfahrzeuge erinnern sollten.
c) Innenraumtuning
Im Innenraum wurde ebenso Hand angelegt: Sportlenkräder, Schalensitze, Zusatzinstrumente und spezielle Schaltknäufe waren typische Modifikationen der Tuningszene . Auch hochwertige Audiosysteme mit leistungsstarken Verstärkern und Lautsprechern fanden Einzug, wobei der Kofferraum nicht selten als Resonanzraum für große Subwoofer diente.
4. Skurrile Produkte und Methoden: Zwischen Mythos und Realität
Die Tuningszene war auch ein Nährboden für zahlreiche skurrile Produkte und Methoden, die oftmals fragwürdige oder sogar nicht vorhandene Effekte versprachen. Einige dieser Produkte wurden in den späten 1980er und 1990er Jahren besonders bekannt.
a) Magnetische Kraftstoffaufbereitung
Ein besonders kurioses Produkt waren sogenannte Kraftstoffmagnete, die um die Kraftstoffleitung geklemmt wurden. Die Hersteller behaupteten, dass die Magnete die Struktur der Kohlenwasserstoffmoleküle im Benzin verändern und dadurch eine vollständigere Verbrennung ermöglichen würden. Dies sollte sowohl die Leistung erhöhen als auch den Kraftstoffverbrauch senken. In der Realität gab es jedoch keinerlei wissenschaftliche Belege für die Wirksamkeit dieser Geräte, was sie zu einem Paradebeispiel für pseudowissenschaftliche Produkte in der Tuningszene machte.
b) „Power-Module“ und Widerstandsboxen
In den 1990er Jahren tauchten sogenannte „Power-Module“ in der Tuningszene auf, die einfach zwischen Sensoren und das Motorsteuergerät geschaltet wurden. Diese kleinen Boxen, die oft nichts weiter als ein einfacher Widerstand waren, täuschten dem Steuergerät falsche Werte vor, um beispielsweise den Ladedruck zu erhöhen oder die Einspritzmenge zu verändern. Während sie in einigen Fällen tatsächlich eine Leistungssteigerung bewirkten, führten sie oft zu unzuverlässigem Motorverhalten und erhöhtem Verschleiß.
c) Wasserinjektionssysteme
Ein weiteres skurriles Produkt waren Wasserinjektionssysteme, die Wasser in den Ansaugtrakt einspritzten, um die Verbrennungstemperatur zu senken und somit Klopfneigung zu verringern. Diese Technik fand im Motorsport tatsächlich Anwendung, jedoch waren viele der für den Straßenverkehr angebotenen Systeme schlecht umgesetzt und führten zu Problemen wie Korrosion und Fehlfunktionen.
Fazit
Die Tuningszene der 1970er bis 1990er Jahre war eine bunte Mischung aus technischer Innovation, Individualisierung und teilweise auch Irrglauben. Während viele Modifikationen tatsächlich zu einer verbesserten Performance führten und die Basis für moderne Tuningtechniken legten, gab es auch zahlreiche Produkte, die nur wenig bis gar keinen Nutzen brachten. Dennoch prägte diese Ära das Bild des Autotunings nachhaltig und legte den Grundstein für die bis heute anhaltende Faszination, die das Modifizieren von Fahrzeugen ausmacht.