Der Alfa Romeo 75: L’ultima vera Alfa

Der Alfa Romeo 75: L’ultima vera Alfa

Wie die Mailänder 1985 mit dem 75er das Vermächtnis einer Ära besiegelten
Als Alfa Romeo 1985 den Tipo 161, besser bekannt als Alfa Romeo 75, der Welt präsentierte, war dies mehr als nur die Vorstellung einer neuen Limousine – es war der Abschied von einer Epoche. Benannt zu Ehren des 75-jährigen Jubiläums der Marke, sollte der 75er das letzte wahre Alfa Romeo werden, bevor Fiat die Kontrolle übernahm und die Seele der Marke für immer veränderte. Mit seiner perfekten 50:50-Gewichtsverteilung, den legendären V6-Motoren und dem unverwechselbaren Alfa-Charakter war der 75er ein letzter Liebesbrief an alle Alfisti – ein Fahrzeug, das beweisen sollte, dass italienische Leidenschaft und deutsche Präzision durchaus vereinbar waren, auch wenn die Bedienelemente manchmal ihre eigenen Wege gingen.
Genesis des letzten Mohikaners: Die Geburt des 75er
Die Geschichte des Alfa Romeo 75 beginnt in den frühen Achtzigerjahren, als die traditionsreiche Mailänder Marke vor einer der größten Herausforderungen ihrer Geschichte stand. Die Übernahme durch Fiat war bereits beschlossen, und der 75er sollte das letzte Projekt werden, das noch vollständig unter der Regie des alten Alfa Romeo entwickelt wurde. Es war ein Projekt, das mit der Bürde der Geschichte und der Hoffnung auf die Zukunft beladen war.
Das Entwicklungsteam unter der Leitung von Ermanno Cressoni hatte eine klare Mission: Sie sollten eine Limousine schaffen, die den BMW 3er herausfordern konnte, ohne dabei die Seele von Alfa Romeo zu verlieren. Das Ergebnis war ein Fahrzeug, das technisch brillant und charakterlich unverwechselbar war – ein echter Alfa eben.
Die Designverantwortung lag bei Ermanno Cressoni und seinem Team im Centro Stile Alfa Romeo. Sie schufen eine Karosserie, die zwar funktional und zeitgemäß war, aber dennoch den unverwechselbaren Alfa-Charakter bewahrte. Die charakteristische Keilform, die markante Gürtellinie und das typische Alfa-Gesicht mit dem Scudetto machten den 75er sofort als Alfa erkennbar.
Das Besondere am 75er war seine Transaxle-Konstruktion: Motor vorne, Getriebe hinten, verbunden durch eine Kardanwelle. Diese Anordnung, die später auch im SZ und RZ zum Einsatz kam, sorgte für die perfekte Gewichtsverteilung von 50:50 und machte den 75er zu einem der ausgewogensten Fahrzeuge seiner Klasse.
Technisches Meisterwerk: Die Transaxle-Philosophie

Das Herzstück des Alfa Romeo 75 war sein revolutionäres Transaxle-Konzept. Während die Konkurrenz auf konventionelle Anordnungen setzte, wagte Alfa Romeo den Schritt zu einer Lösung, die normalerweise nur in Sportwagen zu finden war. Der Motor saß vorne, das Getriebe jedoch hinten, direkt vor der Hinterachse. Diese Anordnung war komplex und teuer, aber sie brachte entscheidende Vorteile.
Die perfekte 50:50-Gewichtsverteilung war nur der offensichtlichste Vorteil. Wichtiger noch war die Tatsache, dass diese Konstruktion dem 75er ein Fahrverhalten verlieh, das in seiner Klasse seinesgleichen suchte. Die Lenkung war präzise und direkt, das Fahrwerk ausgewogen und vorhersagbar. Selbst bei sportlicher Fahrweise blieb der 75er kontrollierbar und vermittelte dem Fahrer stets das Gefühl, Herr der Lage zu sein.
Das Fahrwerk selbst war eine Meisterleistung italienischer Ingenieurskunst. Vorne kamen MacPherson-Federbeine zum Einsatz, hinten eine aufwendige De-Dion-Achse mit Panhardstab. Diese Konstruktion war teuer und wartungsintensiv, aber sie sorgte für eine Kombination aus Komfort und Sportlichkeit, die typisch für Alfa Romeo war.
Die Lenkung war ungefährdet – eine Zahnstangenlenkung ohne Servounterstützung in den Basisversionen, die dem Fahrer direktes Feedback von der Straße vermittelte. In den höheren Ausstattungslinien gab es optional eine Servolenkung, die jedoch nie das direkte Gefühl der ungefährdeten Variante erreichte.
Die Motorenpalette: Vom Twin Spark zum V6-Traum
Der Alfa Romeo 75 bot eine Motorenpalette, die jeden Alfista zum Träumen brachte. Den Einstieg bildete der neue 2,0-Liter Twin Spark Vierzylinder, eine Weiterentwicklung der bewährten Alfa-Vierzylinder-Tradition. Mit seinen zwei Zündkerzen pro Zylinder und der charakteristischen Alfa-Abstimmung entwickelte er 148 PS und sorgte für den typischen Alfa-Sound, der jeden Alfista das Herz höher schlagen ließ.
Doch die wahren Juwelen der Motorenpalette waren die V6-Aggregate. Der 2,5-Liter V6 mit 154 PS war bereits ein Gedicht – ein Motor, der die perfekte Balance zwischen Leistung und Kultivierung bot. Sein Sound war unverwechselbar: ein tiefes, melodisches Grollen, das sich bei höheren Drehzahlen zu einem metallischen Schrei steigerte, der jeden Alfa-Enthusiasten in Ekstase versetzte.
Die Krönung war jedoch der 3,0-Liter V6 mit 185 PS, der den 75er zu einer echten Sportlimousine machte. Dieser Motor war ein direkter Nachfahre der legendären V6-Aggregate, die Alfa Romeo in den Siebzigerjahren entwickelt hatte. Mit seinem Drehmoment von 245 Nm bei 4.000 U/min sorgte er für eine Beschleunigung, die selbst heute noch beeindruckend ist: 0-100 km/h in 7,8 Sekunden und eine Höchstgeschwindigkeit von 215 km/h.
Später kamen noch weitere Varianten hinzu: ein sparsamer 1,8-Liter Twin Spark, ein 2,0-Liter Turbo und sogar Dieselversionen. Doch für jeden wahren Alfista gab es nur eine Wahl: den V6, am besten in der 3,0-Liter-Variante.
Design-Philosophie: Funktion trifft italienische Eleganz
Das Design des Alfa Romeo 75 war eine gelungene Synthese aus Funktionalität und italienischer Eleganz. Ermanno Cressoni und sein Team hatten eine Karosserie geschaffen, die zwar den Anforderungen der Achtzigerjahre entsprach, aber dennoch unverwechselbar als Alfa erkennbar war.
Die Front war geprägt vom charakteristischen Alfa-Scudetto, der in seiner modernen Interpretation dennoch die Tradition der Marke widerspiegelte. Die Scheinwerfer waren rechteckig – ein Zugeständnis an die Mode der Zeit –, aber ihre Anordnung und Integration in die Karosserie war typisch Alfa. Die Motorhaube mit ihren charakteristischen Sicken verwies auf die sportliche DNA des Fahrzeugs.
Die Seitenlinie war von einer markanten Gürtellinie geprägt, die dem 75er seine charakteristische Keilform verlieh. Diese Gestaltung war nicht nur ästhetisch ansprechend, sondern auch aerodynamisch vorteilhaft. Die Proportionen waren klassisch für eine Sportlimousine: lange Motorhaube, kurze Überhänge und eine gestreckte Silhouette.
Das Heck war schlicht und elegant gestaltet, mit den charakteristischen runden Rückleuchten, die an die große Alfa-Tradition erinnerten. Die Heckklappe war praktisch geschnitten und bot ausreichend Platz für das Gepäck einer vierköpfigen Familie.
Das Interieur war… nun ja, typisch Alfa. Hier zeigte sich der italienische Charakter in seiner ganzen Pracht und Problematik. Die Sitze waren bequem und boten guten Seitenhalt, die Materialqualität war ordentlich, aber die Anordnung der Bedienelemente folgte einer Logik, die nur Italiener verstehen konnten.
Die berüchtigte Ergonomie: Italienische Kreativität
Wenn man über den Alfa Romeo 75 spricht, kommt man nicht umhin, seine… sagen wir mal… kreative Ergonomie zu erwähnen. Die Ingenieure von Alfa Romeo hatten offensichtlich ihre ganz eigenen Vorstellungen davon, wo bestimmte Bedienelemente hingehören.
Die Schalter für die elektrischen Fensterheber befanden sich im Dachhimmel – eine Lösung, die zwar platzsparend war, aber den Fahrer dazu zwang, während der Fahrt nach oben zu greifen, um die Fenster zu bedienen. Diese Anordnung war so ungewöhnlich, dass sie zu einem Markenzeichen des 75er wurde.
Die Handbremse war ein weiteres Kuriosum: U-förmig und zwischen den Vordersitzen montiert, erforderte sie eine gewisse Gewöhnung. Manche Fahrer liebten diese unkonventionelle Lösung, andere verfluchten sie täglich. Typisch Alfa eben – man liebte es oder hasste es, aber gleichgültig ließ es niemanden.
Das Armaturenbrett war funktional gestaltet, aber die Anordnung der Instrumente und Schalter folgte keiner erkennbaren Logik. Klimaanlage hier, Radio dort, Lichtschalter irgendwo dazwischen – es war, als hätten die Designer Lose gezogen, um zu entscheiden, wo welches Element hingehört.
Doch die treuen Alfisti nahmen all diese Eigenarten nicht nur in Kauf, sondern liebten sie sogar. Sie waren Teil des Alfa-Charakters, Teil dessen, was diese Autos so besonders machte. Ein BMW war perfekt durchdacht und logisch aufgebaut – aber er hatte keine Seele. Der Alfa hatte Seele im Überfluss, auch wenn sie manchmal etwas eigenwillig war.
Die Modellpalette: Für jeden Alfista das Richtige
Alfa Romeo 75 1.6 (1985-1987)
Der Einstieg in die 75er-Familie mit einem 1,6-Liter-Vierzylinder und 109 PS. Für wahre Alfisti war dies eher ein Kompromiss, aber er bot dennoch das charakteristische Alfa-Fahrverhalten zu einem erschwinglichen Preis.
Alfa Romeo 75 1.8 Twin Spark (1987-1992)
Eine spätere Ergänzung der Palette mit dem bewährten Twin Spark-Konzept. Mit 132 PS bot er eine gute Balance zwischen Leistung und Verbrauch und war bei vernünftigen Alfisti sehr beliebt.
Alfa Romeo 75 2.0 Twin Spark (1985-1992)
Der Klassiker der Baureihe mit 148 PS aus dem neuen Twin Spark-Motor. Für viele Alfisti war dies der perfekte Kompromiss zwischen Leistung, Verbrauch und Charakter.
Alfa Romeo 75 2.0 Turbo (1987-1992)
Eine seltene und begehrte Variante mit Turboaufladung und 165 PS. Der Turbo veränderte den Charakter des Motors erheblich, aber die Leistung war beeindruckend.
Alfa Romeo 75 2.5 V6 (1985-1992)
Der erste V6 in der Palette mit 154 PS. Hier begann der wahre Alfa-Traum – der Sound, die Laufkultur und die Leistungsentfaltung waren einfach magisch.
Alfa Romeo 75 3.0 V6 (1987-1992)
Die Krönung der Baureihe mit 185 PS aus dem 3,0-Liter V6. Dies war der 75er, von dem jeder Alfista träumte – kraftvoll, charaktervoll und unwiderstehlich.
Alfa Romeo 75 America (1987-1989)
Eine limitierte Sonderserie mit dem 3,0-Liter V6 und spezieller Ausstattung. Heute eines der begehrtesten Modelle der Baureihe.
Alfa Romeo 75 Turbo Evoluzione (1987-1992)
Die Homologationsversion für den Tourenwagensport mit 155 PS aus dem Turbo-Motor. Extrem selten und heute praktisch unbezahlbar.
Motorsport: Der Alfa Romeo 75 im Wettbewerb
Der Alfa Romeo 75 war von Anfang an für den Motorsport konzipiert. Die Transaxle-Konstruktion und die ausgewogene Gewichtsverteilung machten ihn zu einem idealen Tourenwagen, und Alfa Romeo nutzte diese Eigenschaften konsequent aus.
In der italienischen Tourenwagen-Meisterschaft dominierte der 75er über Jahre hinweg. Fahrer wie Nicola Larini und Alessandro Nannini fuhren spektakuläre Siege ein und bewiesen, dass der 75er nicht nur auf der Straße, sondern auch auf der Rennstrecke eine Macht war.
Besonders erfolgreich war der 75er in der Gruppe A, wo er gegen BMW M3, Mercedes 190E 2.3-16 und andere Konkurrenten antrat. Die Alfa-Piloten nutzten die überlegene Gewichtsverteilung und das ausgewogene Fahrwerk, um Siege einzufahren, die eigentlich unmöglich schienen.
Der Höhepunkt war sicherlich der Sieg von Nicola Larini in der DTM 1993 – ein Triumph, der bewies, dass italienische Leidenschaft deutsche Präzision schlagen konnte. Dieser Sieg war nicht nur ein sportlicher Erfolg, sondern auch ein emotionaler Höhepunkt für alle Alfisti weltweit.
Auch im Rallyesport wurde der 75er eingesetzt, obwohl er aufgrund seiner Größe und seines Gewichts nicht optimal für diese Disziplin geeignet war. Dennoch erzielten private Teams respektable Ergebnisse und bewiesen die Vielseitigkeit des Fahrzeugs.
Filmkarriere und Popkultur
Der Alfa Romeo 75 fand schnell seinen Weg in Film und Fernsehen, wo er oft als Fahrzeug für stilbewusste, aber nicht zu reiche Charaktere eingesetzt wurde. In verschiedenen italienischen Produktionen der späten Achtziger und frühen Neunzigerjahre war der 75er zu sehen, meist als Auto für Protagonisten, die Stil und Charakter über pure Statussymbole stellten.
Besonders in Krimiserien wurde der 75er gerne verwendet, da er die perfekte Balance zwischen Sportlichkeit und Seriosität verkörperte. Ein Kommissar im 75er war glaubwürdig – er hatte Geschmack, aber nicht zu viel Geld.
In der Automobilpresse wurde der 75er oft als „Gentleman’s Express“ bezeichnet – ein Auto für Kenner, die wussten, was wirklich zählte. Diese Positionierung half dem 75er, sich von der BMW-dominierten Konkurrenz abzuheben.
Konkurrenz und Marktpositionierung
Der Alfa Romeo 75 trat in einem der härtesten Marktsegmente an: der oberen Mittelklasse, dominiert vom BMW 3er. Die Konkurrenz war stark und etabliert: BMW 3er, Mercedes 190, Audi 80, Volvo 740 – alles Fahrzeuge mit ausgezeichnetem Ruf und treuer Kundschaft.
Der BMW 3er war der Maßstab in Sachen Fahrverhalten und Sportlichkeit. Der Mercedes 190 punktete mit Qualität und Prestige. Der Audi 80 bot Quattro-Allradantrieb und moderne Technik. Der Volvo 740 war der Inbegriff von Sicherheit und Zuverlässigkeit.
Gegen diese etablierte Konkurrenz setzte der 75er auf Charakter und Fahrdynamik. Die perfekte Gewichtsverteilung, der unvergleichliche V6-Sound und das typische Alfa-Temperament waren seine Waffen im Kampf um die Gunst der Käufer.
Die Strategie war erfolgreich: 375.257 verkaufte Exemplare bewiesen, dass es einen Markt für charaktervolle Alternativen gab. Der 75er sprach Käufer an, die mehr wollten als nur ein Transportmittel – sie wollten ein Fahrzeug mit Seele.
Zielgruppe: Die letzten Romantiker
Der Alfa Romeo 75 richtete sich an eine ganz spezielle Käuferschicht: die Alfisti, die Romantiker unter den Autofahrern, die bereit waren, kleine Unzulänglichkeiten zu akzeptieren, um dafür ein Fahrzeug mit Charakter zu bekommen.
Typische 75er-Käufer waren Individualisten: Architekten, Journalisten, Künstler, Ingenieure – Menschen, die Wert auf Stil und Charakter legten und sich nicht von der Masse abheben wollten. Sie kauften den 75er nicht, weil er der vernünftigste war, sondern weil er der interessanteste war.
Viele 75er-Käufer waren bereits Alfa-Kunden, die von Giulietta, Alfetta oder Giulia umstiegen. Sie kannten die Marke, ihre Stärken und Schwächen, und sie liebten sie trotzdem – oder gerade deswegen.
Die V6-Versionen sprachen besonders Enthusiasten an, die bereit waren, für den unvergleichlichen Sound und die Leistung einen Aufpreis zu zahlen. Diese Käufer wussten, dass sie etwas Besonderes fuhren, und sie genossen jeden Kilometer.

Stärken und Schwächen: Die Bilanz eines Charakterkopfs
Die Stärken:
- Fahrverhalten: Perfekte 50:50-Gewichtsverteilung und ausgewogenes Fahrwerk
- Motoren: Legendäre V6-Aggregate mit unvergleichlichem Sound
- Charakter: Unverwechselbare Persönlichkeit und italienisches Temperament
- Design: Zeitlos elegante Linienführung mit Alfa-DNA
- Fahrdynamik: Präzise Lenkung und sportliches Handling
- Exklusivität: Seltener als die deutsche Konkurrenz
- Motorsport-Gene: Bewährte Rennstrecken-Technik
Die Schwächen:
- Ergonomie: Unlogische Anordnung der Bedienelemente
- Qualität: Verarbeitung nicht auf deutschem Niveau
- Zuverlässigkeit: Typische Alfa-Kinderkrankheiten
- Rostanfälligkeit: Besonders in den ersten Jahren problematisch
- Wartung: Komplexe Transaxle-Technik erforderte Spezialisten
- Wertverlust: Stärker als bei der deutschen Konkurrenz
- Ersatzteile: Teilweise schwierige Beschaffung
Der Sammlermarkt: Vom Gebrauchtwagen zur Ikone
Lange Zeit fristete der Alfa Romeo 75 ein Schattendasein auf dem Gebrauchtwagenmarkt. Während BMW 3er und Mercedes 190 ihre Werte hielten, verloren die 75er schnell an Wert. Doch in den letzten Jahren hat sich das Blatt gewendet.
Aktuelle Marktpreise (2024):
- 75er 2.0 Twin Spark in gutem Zustand: 8.000 – 15.000 Euro
- 75er 2.5 V6 in sehr gutem Zustand: 12.000 – 20.000 Euro
- 75er 3.0 V6 in Topzustand: 18.000 – 30.000 Euro
- 75er Turbo Evoluzione: 25.000 – 45.000 Euro
- 75er America: 20.000 – 35.000 Euro
Die Preisentwicklung zeigt einen deutlichen Aufwärtstrend, wobei die V6-Versionen die stärkste Wertsteigerung verzeichnen. Besonders begehrt sind unrestaurierte Originalfahrzeuge mit niedriger Laufleistung und vollständiger Dokumentation.
Kaufberatung: Die Suche nach dem perfekten 75er
Motorwahl:
Für Sammler und Enthusiasten führt kein Weg am V6 vorbei. Der 2,5-Liter ist bereits ein Traum, aber der 3,0-Liter ist die ultimative Wahl. Der Twin Spark ist vernünftiger, aber weniger charaktervoll.
Rost und Karosserie:
Der Alfa Romeo 75 ist anfällig für Korrosion, besonders:
- Schweller und Radläufe sorgfältig prüfen
- Türrahmen und Fensterdichtungen kontrollieren
- Kofferraum und Reserveradmulde untersuchen
- Motorhaube auf Steinschlagschäden prüfen
Transaxle-System:
Das komplexe Antriebssystem erfordert besondere Aufmerksamkeit:
- Kardanwelle und Gelenke prüfen
- Hinterachsgetriebe auf Geräusche testen
- Ölverluste an Getriebe und Differential kontrollieren
- Kupplungshydraulik überprüfen
V6-spezifische Punkte:
- Zahnriemen-Wechselintervalle beachten
- Kühlsystem auf Dichtigkeit prüfen
- Ventilspiel kontrollieren lassen
- Abgasanlage auf Originalität prüfen
Ersatzteile und Spezialisierung
Die Ersatzteilsituation für den Alfa Romeo 75 ist gemischt:
- Motorteile: V6-Teile noch gut verfügbar
- Karosserieteile: Viele Teile nur gebraucht erhältlich
- Transaxle-Komponenten: Spezialisierte Aufarbeitung möglich
- Elektrik: Grundsätzlich noch beschaffbar
- Innenausstattung: Sitze und Verkleidungen problematisch
Spezialisierte Alfa-Händler und Clubs sind die beste Quelle für Teile und Beratung.
Clubs und Gemeinschaft
Die Alfa-Gemeinde ist weltweit gut organisiert:
Alfa Romeo Club Deutschland: Die wichtigste Anlaufstelle für deutsche Alfisti mit aktiver 75er-Sektion.
Registro Italiano Alfa Romeo: Die italienische Mutterorganisation mit umfangreichem Archiv.
Internationale Alfa-Clubs: In fast jedem Land gibt es aktive Alfa-Clubs mit 75er-Spezialisten.
Die Gemeinschaft ist eng verbunden und hilft sich gegenseitig bei technischen Problemen und der Teilebeschaffung.
Anekdoten aus dem Alfista-Leben
Jeder 75er-Besitzer hat seine Geschichten. Da ist der Alfista, der seinen 3.0 V6 jeden Morgen warmfahren musste, nicht wegen der Technik, sondern weil er den Sound brauchte, um richtig wach zu werden. Oder der Besitzer, der die Fensterheber-Schalter im Dachhimmel so liebte, dass er sie in seinem neuen Auto vermisste.
Eine besonders schöne Geschichte erzählt von einem Alfa Romeo 75 3.0 V6, der bei einer Alpenüberquerung einen Porsche 911 abhängte – nicht wegen der Leistung, sondern weil der Alfa-Fahrer die Strecke kannte und sein Auto bis an die Grenzen ausreizte, während der Porsche-Fahrer vorsichtig blieb.
Typisch ist auch die Geschichte des Alfista, der seinen 75er trotz aller Probleme nie verkaufen wollte. „Er ist wie eine schwierige Geliebte“, sagte er, „manchmal macht er Probleme, aber wenn er läuft, ist er einfach unwiderstehlich.“
Das Erbe: L’ultima vera Alfa
Der Alfa Romeo 75 war tatsächlich das, was viele Alfisti behaupten: die letzte wahre Alfa Romeo. Nach der Fiat-Übernahme änderte sich der Charakter der Marke grundlegend. Die Nachfolger waren technisch ausgereifter, aber sie hatten nicht mehr diese unverwechselbare Seele, die den 75er so besonders machte.
Die Transaxle-Technologie lebte im SZ und RZ weiter, aber diese Fahrzeuge waren zu exotisch für den Massenmarkt. Der 75er war der letzte Alfa, der Charakter und Alltagstauglichkeit erfolgreich vereinte.
Heute wird der Alfa Romeo 75 von Kennern als einer der besten Alfa Romeo aller Zeiten geschätzt. Er verkörpert alles, was die Marke groß gemacht hat: Leidenschaft, Charakter, technische Innovation und eine gehörige Portion italienisches Temperament.
Fazit: Addio, ultima vera Alfa
Der Alfa Romeo 75 war mehr als nur ein Auto – er war das Ende einer Ära und gleichzeitig ihr krönender Abschluss. In ihm vereinte sich alles, was Alfa Romeo groß gemacht hatte: die Leidenschaft für das Fahren, die Liebe zum Detail (auch wenn es manchmal die falschen Details waren) und die Bereitschaft, Kompromisse zu machen, um Charakter zu bewahren.
Für uns Alfisti ist der Alfa Romeo 75 ein Symbol für eine Zeit, als Autos noch Persönlichkeit hatten, als Hersteller noch Risiken eingingen und als das Fahren noch ein emotionales Erlebnis war. Er erinnert uns daran, warum wir uns in Alfa Romeo verliebt haben und warum wir der Marke trotz aller Probleme treu geblieben sind.
Der 75er war nicht perfekt – kein Alfa ist perfekt. Aber er war etwas viel Wertvolleres: Er war echt. In einer Welt voller perfekter, aber seelenloser Automobile war er ein letzter Mohikaner, ein Fahrzeug mit Herz und Seele.
Heute, fast vierzig Jahre nach seiner Geburt, ist der Alfa Romeo 75 das, was er immer sein sollte: l’ultima vera Alfa. Er ist unser Vermächtnis, unser Beweis dafür, dass es einmal eine Zeit gab, als Automobile noch träumen konnten. Und für uns Alfisti wird er immer das bleiben, was er war: nicht nur ein Auto, sondern ein Stück unserer Seele auf vier Rädern. Cuore sportivo, für immer.